Marsch - Horn - damals und heute

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Marsch

Die Horner Marsch zwischen Planung und Realität
Beim Weihnachtsmarkt des Kleingartenvereins 142 - Horner Marsch - zeigten wir u.a. einen historischen Bebauungsplan aus dem Jahre 1909. Er zeigt, was damals auf dem Areal der Horner Marsch und angrenzendem Gebiet geplant war. Aufgrund des großen Interesses der vielen Besucher an der Geschichte der Marsch, haben wird nun im Stil unserer Serie "Horn damals und heute" eine spezielle Seite mit einer interaktiven Überblendung von Luftaufnahme bzw. Karte im Vergleich zum alten Bebauungsplan erstellt und auch noch einmal ausführlich die Entstehungsgeschichte des Areals beschrieben.

Der Blick auf den alten Bebauungsplan zeigt: Nördlich der heutigen B5 (Bergedorfer Straße) bis hin zur Horner Landstraße wäre eine Wohnbebauung zulässig gewesen - auf dem Plan als gelbe Fläche dargestellt. Sie wurde dann in den späten 1950er Jahren mit den Häusern an der Culinstraße auch tatsächlich realisiert.
Südlich der B5 bis hin zur Bille war das Areal ausschließlich für Gewerbe- und Industrieansiedlungen reserviert! Deren Rohstoffe und Produkte sollten offensichtlich nicht nur auf dem Landweg über Straßen, sondern vom und zum Hafen auch auf dem Wasserweg transportiert werden. Dazu wäre der Mittel- und der Südkanal quer durch die Horner Marsch geführt worden. Heute enden beide Kanäle in Hamm am Rückersweg bzw. der Diagonalstraße und fließen über den Rückerskanal nördlich der Billerhuder Insel in die Bille.
Um diesen Bebauungsplan umzusetzen, wurde die Horner Marsch Ende der 1920er Jahre mit Sand aus der Öjendorfer Kuhle um fünf Meter aufgeschüttet. Dazu wurde eigens eine Feldbahn eingerichtet, die über den Schiffbeker Weg, Hermannstal, dann quer durch die Wiesen und Felder fuhr und letztlich über eine provisorische Brücke die Horner Landstraße an der Stelle kreuzte, an der auch heute die Brücke vom Ring 2/Horner Rampe liegt.
Nach der Fertigstellung der Aufschüttung begann aber mit dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 die Weltwirtschaftskrise! Zu den wichtigsten Merkmalen der Krise zählten ein starker Rückgang der Industrieproduktion, des Welthandels, der internationalen Finanzströme, Bankenkrisen, die Zahlungsunfähigkeit vieler Unternehmen und massenhafte Arbeitslosigkeit, die soziales Elend verursachte. Unter diesen Bedingungen fand sich natürlich niemand, der hier Gewerbe oder Industrie neu ansiedeln wollte (und konnte). Außerdem war der Staat bzw. die Stadt Hamburg finanziell überhaupt nicht in der Lage, das Gebiet zur erschließen (Strom, Wasser, Abwasser, Straßen). So blieb es längere Zeit ungenutzt und ist auf damaligen Luftaufnahme sehr gut als große helle Fläche zu erkennen.
Ende 1931 beschloss die Regierung, sogenannte Erwerbslosensiedlungen am Stadtrand zu errichten, damit sich Arbeitslose durch den Anbau von Obst und Gemüse zumindest zum Teil selbst versorgen konnten. Dazu gehörten neben festen Kleinsiedlungshäusern (z.B. in den Straßen "Zwischen den Hecken" und "Am Horner Moor") auch Schrebergärten. Auf einen Ausruf des Kleingartenamtes meldeten sich 1.100 Anwärter, woraufhin die ungenutzte Fläche der Horner Marsch in 1.100 Parzellen á 600 qm aufgeteilt wurde. Bereits im Juni 1932 begannen die Pächter mit der Anlage von 40 km Wassergräben und 12 km Wegen. Mit Übergabe der Parzelle wurde ein Reichsdarlehen in Höhe von 100 Reichsmark gewährt. Dafür wurde eine Laube von 9 qm sowie Obstbäume und Sträucher geliefert.
Damit war der Plan einer industriellen bzw. gewerblichen Nutzung vorerst vom Tisch. Einzige Ausnahme bildete 1965 der Bau des Fernmeldeamtes, dem auf 7 Hektar 111 Parzellen zum Opfer fielen (der Bogen des Kiebitzweges) und die Realisierung der schon vor dem Krieg geplanten Verlängerung der Eiffestraße in Form der heutigen Bergedorfer Straße. Auf alten Luftaufnahmen ist deutlich zu sehen, dass die Trasse für diese Straße bereits 1932 festgelegt und zuerst auch von der Besiedelung durch Kleingärten ausgenommen war. Die ursprünglich gerade Straßenlinie musste wegen des zwischenzeitlich erfolgten Fernmeldebaus dann in einem Bogen um selbigen realisiert werden.

Geht man allerdings in das Jahr 1888 zurück, hätte die Horner Marsch heute auch völlig anders aussehen können! In dem Jahr erwarb Carl Hagenbeck an der Horner Landstraße/Ecke heutigem Bauerbergweg eine alte Villa (im historischen Plan rot eingezeichnet) und das dazugehörige 11.615 qm große Areal. Hier betrieb Hagenbeck eine Quarantäne-Station für seinen Tierhandel. In dieser Zeit reifte bei ihm der Plan für ein "Tierparadies", dem heutigen Hagenbeck'schen Tierpark. So beauftragte er seinen Makler, mit der Stadt Hamburg über den Ankauf der angrenzenden freien Marschfläche zu verhandeln. Die Stadt lehnte dies wegen der bereits bestehenden Planung der industriellen Besiedelung ab und außerdem gab es bereits seit Mai 1863 einen Zoo auf der Fläche der heutigen Parkanlage 'Planten un Blomen'. In seinen Memoiren schreibt Hagenbeck dazu: "Da die Suche also in Hamburg aussichtslos war, setzte ich sie auf preußischem Gebiet fort, obgleich ich es schmerzlich empfand, dass in meiner Vaterstadt kein Raum für mich sein sollte." So erwarb Hagenbeck 1897 in Stellingen ein 27 ha großes Areal für seinen Tierhandel und eröffnete 1907 dort auch seinen Tierpark. Zum Vergleich: Die Fläche des Kleingartenvereins ist mehr als doppelt so groß wie der Tierpark Hagenbeck!
Hätte der Hamburger Senat damals anders entschieden, hätten wir heute anstelle von Kleingärten auf der Horner Marsch vielleicht Elefanten, Löwen, Affen und anderes Getier!

Interaktiver Vergleich Plan 1909 <> Luftaufnahme 2023
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Interaktiver Vergleich Plan 1909 <> Stadtplan 2023
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Quellenangabe
Historischer Bebauungsplan 1909:
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN741316323

Luftaufnahme (DOP20, Befliegungszeitraum März/April 2022):
Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung

Stadtplan:
Internetstadtplan Hamburg 2022, Ausgabe der GeoBasisKarten
Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung

Zitat Hagenbeck:
Carl Hagenbeck - Von Tieren und Menschen (Ausgabe 1908), Seite 74/75

Daten & Fakten zum Kleingartenverein "Horner Marsch":
Festschrift "70 Jahre Kleingartenverein Horner Marsch e.V."
2002, Eigendruck
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